Antrittsvorlesung Prof. Dr. Esther Merget
Studiengang Soziale Arbeit
„Das Selbst ist unglaublich wichtig!“
Am Donnerstag, 16.5.2024, hat Prof. Dr. Esther Merget ihre Antrittsvorlesung an der Theologischen Hochschule Reutlingen gehalten. Sie sprach über „Das Selbst im Wandel – Übergänge im Lebenslauf und die Rolle der Sozialen Arbeit und Diakonie.“
Ein heftiges Gewitter zog über Reutlingen, was die Zuhörer:innen jedoch nicht daran hinderte, sich in die Kirche der Baptistengemeinde aufzumachen, um die neue Professorin für Soziale Arbeit und Diakonie (mit Schwerpunkt Theorien, Methoden und Konzepte im Kontext der Generationen) zu hören. Weil die Aula der Theologischen Hochschule umgebaut wird, hat die benachbarte Kirche Gastrecht erteilt – und eine zahlreiche Hörerschaft hat davon Gebrauch gemacht.
Esther Merget betonte, Übergänge wie der Eintritt in den Kindergarten, in die Schule und in den Beruf begleiteten und prägten den Lebenslauf und zwängen dazu, sich von Vertrautem zu verabschieden und sich auf Neues einzulassen. Mit vielen Beispielen aus der Praxis unterlegte sie ihre These und zeigte auf, dass diese Übergänge selten bruchlos vonstatten gehen. Betroffen sei das „Selbst“, welches sie als das Bild, das wir von uns haben und den Wert, den wir uns selbst zuschreiben zu verstehen gab. Dieses Selbst entwickle sich von Geburt an über die gesamte Lebensspanne und beeinflusse unser situatives Verhalten maßgeblich.
Gerade in der heutigen Zeit, fuhr Merget fort, die von ständigen Umbrüchen geprägt sei, verliefen Lebenswege selten linear, vielmehr komme es immer wieder zu unerwarteten Kreuzungen. Damit sich das Selbst dabei positiv entwickeln könne und Handlungssicherheit gewährleistet bleibe, sei Unterstützung durch Soziale Arbeit und Diakonie zwar nicht zwingend, sicher aber hilfreich. Angebote der Sozialen Arbeit könnten den Werdeprozess des Selbst stärken, müssten jedoch nicht bloß initiiert und zur Verfügung gestellt werden, sondern bei der Person selbst ansetzen. Ein klares Votum für inklusive Arbeit. Gelinge die Stärkung des Selbstwertgefühls kontinuierlich und forme sich dadurch das Wissen, auch schwierige Situationen meistern zu können, dann gelänge auch die Bewältigung des nächsten, wiederum of nicht einfachen Übergangs. Obwohl das Selbst an sich eine seit langem bekannte Größe sei, werde es in der praktischen Arbeit noch immer zu marginal behandelt – „dabei ist das Selbst doch so wichtig“, wie Merget mit Nachdruck und Überzeugung betonte. Bei bewusstem und konsequentem Einbezug der Entwicklung des Selbst würden, schloss die Referentin, Übergänge und biographische Veränderungen, gerade auch dann, wenn sie als Krisen und Brüche sich ereigneten, zur Chance für die eigene Weiterentwicklung.
Mit großem Applaus dankte das Publikum der Referentin und ließ sich beim folgenden Stehempfang auch nicht durch das mittlerweile tobende Gewitter stören. Wer durch Vorträge wie diesen in seinem Selbst gestärkt wird, lässt sich nicht von der Aussicht auf eine durchnässte Heimkehr schrecken, sondern genießt den Augenblick als Gegenwart der Freude.